Bergsteigen mit der Sektion Böblingen


Wo für einen normalen Bergwanderer die Wege zu engen Steigen werden und der Abgrund nahe an den Steig rückt, wo Schneefelder oder Gletscher das Weitergehen verhindern, wo Fels nur noch mit Hilfe von Seilsicherung oder Fixseilen überwunden werden kann, beginnen die Aktivitäten des Bergsteigens. Absolute Trittsicherheit, Schwindelfreiheit, Orientierungfähigkeit und viel Erfahrung sind ab hier gefragt. Das Bergsteigen hatte seine Geburtsstunde schon sehr früh, nämlich 1336 durch die Besteigung des Mont Ventoux, einem Berg, der heute zu den legendärsten Gipfeln der Tour de France gehört. Klettern im alpinen Gelände oder an Fixseilen (Klettersteige, "Via Ferrata"), Hochtouren (in Firn und Eis), Skihochtouren, Schneeschuhtouren im alpinen Gelände, Höhenbergsteigen (Expeditionsbergsteigen) und alpines Trekking sind die Bergsportaktivitäten, die man als Bergsteigen oder auch Alpinismus bezeichnet.

 

Meraner Höhenweg Tour Nr. 1512 vom 20.-25.7.2014

Es gibt kein schlechtes Wetter – nur schlechte Kleidung. Ob die High Tech Produkte der Outdoor-Firmen das halten, was sie versprechen, konnten wir ausgiebig testen. Bereits beim Start an der Bergstation der Texelbahn, die von Partschins auf 1544 m zum Giggelberg führt, fallen die ersten Tropfen. Also Regenschutz für den brandneuen Rucksack und Regenjacke übergezogen. Das lt. unserem Führer herausforderndste Stück des Meraner Höhenweges, der 1000 Stufen Weg zwischen Hochforch und Pirchhof liegt vor uns.

Über mindestens 2000 gefühlte Holz-, Stein- und Metallstufen geht es in ständigem Auf und Ab am Hang des Sonenberges mit den Einschnitten von drei Wasserfällen entlang. Die Abkühlung durch die Wasserfälle hätten wir bei sommerlicher Hitze sicherlich genossen, aber so kommt das Nass direkt immer wieder aus den Wolken. 
Nach 3 ½ Stunden ist das Ziel für heute, der Pirchhof, ein Schmuckstück, bestehend seit dem 13. Jahrhundert, erreicht. Auf einer Höhe von 1445 m kleben mehrere Gebäude wie ein Adlernest am Hang. Die Gaststätte modern und gemütlich ausgestattet. Ringsum ein Meer von Blumen in leuchtenden Farben, eine Augenweide. Die Aussicht von der Terrasse können wir dann auch noch ein Weilchen genießen. Unsere vorbestellten Unterkünfte befinden sich im „alten Teil“. Das Zimmer, das für Hedi und mich vorgesehen ist, war sicherlich einmal „Gesindestube“. Interessant der platzsparende Klapptisch mit Sitzbank neben dem Herd. Ich bin nicht so groß, aber beim Hinausgehen auf den Balkon mache ich eine schmerzhafte Bekanntschaft mit dem Türbalken, so niedrig ist der Raum. Die Südtiroler Speisekarte mit Knödel, Ziegenbraten, Schwarzplatene-Schmarrn und -Kuchen (= Buchweizen) bietet für jeden etwas. Neben Bier und Wein ein super Angebot auf der gesamten Tour an Säften aus biologischem Anbau (Holunder, Johannisbeere und Himbeere).


Der nächste Morgen begrüßt uns nass. Vom Talboden des Vinschgaus ist nichts zu sehen. Auf teilweise Asphalt- und Forstwegen erst wieder bergab wandern wir durch ein weiteres Gehöft. Die Kirchbachschlucht überqueren wir auf einer 41m langen Hängebrücke. Meine leichte Wanderhose ist klatschnass, ich spüre wie das Wasser an den Beinen entlang läuft und von den Socken aufgesogen wird. Der Linthof kommt gerade recht. Das nasse Zeug ausgezogen, trockene Sachen dank der Plastiktüten im Rucksack an. Der neue Rucksack selbst ist trotz der Regenhülle ebenfalls feucht. Eine heiße Tasse Tee mit Rum und schon fühle ich mich besser. Für den Weiterweg stellen sich alle auf noch mehr Regen ein, Überhosen, Ponchos und Gamaschen kommen zum Einsatz. Ein überdimensionales Wasserrohr, das vom Berg ins Tal hinunterführt, kreuzt unseren Weg. Keine so idyllische Lösung wie ein Waalweg. Schloss Juval muss irgendwo da unten sein. Zu sehen ist leider nichts. Den knöcheltiefen Pfützen auf dem schmalen Pfad auszuweichen erfordert Technik, mal links mal rechts davon die Füße hintereinander gesetzt oder etwas breitbeinig zwischen Hang und Abgrund balancierend. Beim Hofschank Kopfron schon im Schnalstal auf 1436m gelegen ist Pause und Stärkung angesagt. Die Goretex-Jacken sind innen genauso nass wie außen und auch die darunter getragenen Schichten sind feucht. Es nützt nichts. Wir haben noch ein gutes Stück bis zu unserem Tagesziel, dem Nassereidhof und so geht es wieder hinaus. Günter und Erhard entdecken ihre spielerische Seite und buddeln bei den größten Pfützen Ablaufgräben mit den Stiefeln. Dann lichtet sich der Dunst, es hört auf zu regnen und die Sicht hinunter nach Katharinaberg ist frei.

Steile Wiesenhänge, die nach wie vor mit der Sense gemäht werden, wechseln sich mit frisch grünen Lärchenwäldern ab. Nach dem Montferthof biegt der Weg nach Osten ins Pfossental ab und unten im Tal ist Karthaus(1327m), eine ehemalige Klosteranlage mit Ringmauer zu erkennen. Es geht weiter „im Sellboden“, leicht bergauf und bergab, dann ist noch ein großes Geröllfeld mit Steinschlaggefahr und eingefurchter Rinne des Bergbaches zu überqueren. Es folgt ein höllisches Stück durch Lärchenwald mit rutschigem Blockwerk bestückt. So allmählich könnte die Etappe zu Ende gehen. Das Tal wird immer enger. Links vom Weg der tosende Pfossentalbach, daneben die Fahrstraße. Endlich treffen wir an einer Kehre auf die Straße und sehen unser Ziel. Doch der Höhenweg zweigt wieder über Stufen und einen Hang ab. So nach 8 Stunden brennt bei allen die rote Lampe. Mühsam geht es nochmals hinauf bis Hedi zurückkommt und erklärt, dass wir da oben nicht über den Bach kommen. Kein Wunder bei dem vielen Regen. Also wieder hinunter bis zur Straße und auf ihr die letzten Kehren hinauf zum Nassereidhof. Dort werden wir schon erwartet. Irgendwo in den Zimmern und auf dem geräumigen Boden findet sich ein Platz die nassen Kleidungsstücke aufzuhängen. Für die Stiefel gibt es Zeitungspapier. Das Abendessen ist gut und reichlich und danach ist die Welt wieder in Ordnung.

Am nächsten Morgen S o n n e ! Bis zur Siedlung Vorderkaser, die schon 1410 erwähnt wurde, sind es 40 Minuten. Hier beim letzten und einzigen Parkplatz herrscht richtiger Andrang. Ganze Heerscharen jeden Alters sind unterwegs. Die blumengeschmückten Holzhäuser sind ein einmaliges Postkartenmotiv, so richtig schön. Auf gut ausgebautem Almweg geht es leicht bergan. Wie erholsam! An Schautafeln über die Funktion der Waalwege, Fauna, Flora, Geologie und Geschichte und ob der vielen Wanderer ganz gelassenen Rindviechern, die sich sogar streicheln lassen, vorbei, wandern wir weiter. Reste von Trocken-mauern ehemaliger Ackerterrassen zeugen vom Überlebenskampf der Bauern hier oben. Wir passieren die Mitterkaseralm und kehren bei der Radleidalm (2004m) ein. Vor dem wettergegerbten Holzhaus sitzen wir in der Sonne und schauen auf die blinkenden Gipfel der Texelgruppe. Durch alten Lärchenbestand immer am Bach entlang sind es noch 2 Stunden bis zum Eishof, wo wir wieder übernachten. Um den schon 1290 urkundlich erwähnten Hof vor dem Verfall zu retten, taten sich 10 Südtiroler Bauernfamilien 1924 zusammen. Noch heute ist er im Besitz von 6 Familien. Es ist noch früher Nachmittag als wir unser Ziel erreichen. Der Talschluss mit Hohe Wilde (3480m ) und der leuchtenden Hohe Weiße (3278) wirkt wir ein überdimensionales Amphitheater. Entspannen, erholen und genießen ist für den Rest des Tages Programm. Dietrich, der hier zu uns stoßen wollte, trifft dann auch ein. Rechtzeitig gehen wir schlafen (6 Einzelbetten in einem Zimmer), um für den morgigen Anstieg gewappnet zu sein.
Kriemhild Miller

Bericht von Dietrich Kappeler für den zweiten Teil der Wanderung

Nachzügler auf dem Weg zum Eishof
Bei Dauerregen auf der Autobahn bis Kempten, dann unter der dichthaltenden Wolkendecke hindurch über Fernpaß und Reschen bis ins Schnalstal, genauer Pfossental. Hier empfängt mich tatsächlich die Sonne und begleitet mich auf den ersten Metern talaufwärts. Vorbei an wenigen Höfen und Kühen aber mit ordentlich Gegenverkehr lege ich die beiden ersten Stunden zurück. Kurz vor dem Eishof kommt der Regenschirm doch noch zum Einsatz. Die anderen – Hedi, Kriemhild, Erhard, Fritz und Günther sind schon einige Zeit hier, heute war Erholungswandern angesagt vor der morgigen Königsetappe mit ca 900 Höhenmeter im Auf- und 1300 im Abstieg.

Stettiner Hütte nach der Lawine

Mit der Nacht haben auch die sintflutartigen Regenfälle aufgehört und wir haben einen sonnigen Tag vor uns. Der Meraner Höhenweg folgt einem ehemaligen ca. einem Meter breiten Militärsträßchen immer höher hinauf ins Pfossental. So sind die Höhenmeter die einzige Herausforderung. Die schon etwas betagten und ergrauten Schneefelder haben sich in die Höhenlagen zurückgezogen und verdecken zwar den Weg, aber es gibt deutliche Spuren im Schnee denen wir nur zu folgen brauchen. Nach ca. 3 Stunden stehen wir am höchsten Punkt dem „Passo Gelato“, zu deutsch „Eisjöchl“ (auch wenn einem Eisdiele in den Sinn kam) mit Blick auf die Stettiner Hütte in der wir nicht übernachten konnten.

Zu unserer Überraschung funktioniert die Küche. Es gibt ein paar warme Gerichte und sogar Bier vom Fass. Dieses Angebot ist eine Pause wert. Fleißige Zimmersleut errichten nebenan eine Holzhütte, die bald als Notunterkunft zur Verfügung stehen soll. Das Material wird von Hubschraubern gebracht, die leer wieder ins Tal fliegen. Wir sehen ihnen fragend hinterher, denn die von der Lawine ausgeräumten Hausbestandteile liegen weiterhin auf dem Schneefeld. Da hätten Matratzen, Wolldecken, Steine, Holzreste und auch eine Küchenspüle doch schon mal mit ins Tal transportiert werden können??

Von hier ab geht es ausschließlich abwärts bis nach Pfelders. Und ganz schön in die Beine. Denen gönnen wir erst wieder an der Lazinser Alm eine Pause. Je nach Lust und Laune gibt es Kaffee, Kuchen, Bier etc. oder beliebige Kombinationen davon. Bis zur „Rosmarie“ in Pfelders ist es jetzt nicht mehr weit. Die Männer teilen sich ein Doppelzimmer mit Zusatzbetten, die beiden selbsternannten „Kellerasseln“ verschwinden im Nachbarhaus. Obwohl im Gasthof untergebracht halten wir die „Hüttenruhezeiten“ freiwillig ein. Schließlich müssen wir morgen wieder nach oben.

Spronser Joch in den Wolken

Sonne war gestern, heute ist Wolkendecke. Nach den gestrigen Karawanen auf dem Meraner Höhenweg sind wir in den ersten Stunden alleine im Falschnaltal unterwegs. Erst bei unserer Pause am Falschnaljoch holt uns eine weitere Gruppe ein. Kurz darauf leider auch der Regen. Den höchsten Punkt des heutigen Tages – das „Spronser Joch“ überqueren wir zusammen mit dichten Wolken im strömenden Regen. Eigentlich wäre heute „Bronser Joch“ passender. Dennoch nehmen wir uns Zeit, die Tafeln mit den Erläuterungen zu lesen

Auch die vor uns liegenden Spronser Seen laden nicht wirklich zum gestern noch herbeigesehnten Bade. Wir sind alle froh, als wir endlich die Dächer der Oberkaseralm erblicken und darunter Schutz suchen können. Es folgt ein mehrfacher Griff in die „Almapotheke“. So ein Zirbenschnaps wärmt einfach wunderbar. Vor und nach dem Abendessen.

Abstieg im Drahtkorb

Sonne statt Wolken. Ein klarer Tag beschert uns Sicht über das Meraner Becken hinaus bis hinein in die Dolomiten. Sattsehen ist nicht möglich. Vom höchsten Punkt, der Taufenscharte, auch als Karjoch auf manchen Karten eingetragen, schweift der Blick über das Vinschgau nach Westen bis hinein auf die Spitzen des Nationalparks Stilfser Joch. --- Bild ---

Dass hier ein Weg hinabführt ist auf den ersten Blick kaum zu glauben. Wenn man den aber mal gewagt hat, sind sehr viele Serpentinen zu sehen. Wir genießen die Blumenpracht beim Abstieg und beschließen die letzten Höhenmeter im Drahtkorb zurückzulegen. Nachdem wir Günther – der noch eine Tag länger bleibt - verabschiedet haben, schweben wir hinab nach Vellau und weiter nach Algund. Noch eine kurze Fahrt mit dem Bus und wir stehen bei den Autos in Partschins.

Erlebnisreiche Tage sind zu Ende. Die Reduzierung des Er-Lebens auf die elementaren Bedürfnisse führt nach kurzer Zeit zu einer inneren Ruhe und Ausgeglichenheit, die ohne den Verzicht auf vermeintlichen Komfort kaum zu erreichen und damit in unserer gewohnten Umgebung zu Hause eigentlich nicht möglich ist. Ist das ein wesentlicher Grund dafür wieder einmal aufzubrechen und überflüssiges wie überbewertetes wenigstens für einige Tage zurückzulassen?

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