Bergsteigen mit der Sektion Böblingen


Wo für einen normalen Bergwanderer die Wege zu engen Steigen werden und der Abgrund nahe an den Steig rückt, wo Schneefelder oder Gletscher das Weitergehen verhindern, wo Fels nur noch mit Hilfe von Seilsicherung oder Fixseilen überwunden werden kann, beginnen die Aktivitäten des Bergsteigens. Absolute Trittsicherheit, Schwindelfreiheit, Orientierungfähigkeit und viel Erfahrung sind ab hier gefragt. Das Bergsteigen hatte seine Geburtsstunde schon sehr früh, nämlich 1336 durch die Besteigung des Mont Ventoux, einem Berg, der heute zu den legendärsten Gipfeln der Tour de France gehört. Klettern im alpinen Gelände oder an Fixseilen (Klettersteige, "Via Ferrata"), Hochtouren (in Firn und Eis), Skihochtouren, Schneeschuhtouren im alpinen Gelände, Höhenbergsteigen (Expeditionsbergsteigen) und alpines Trekking sind die Bergsportaktivitäten, die man als Bergsteigen oder auch Alpinismus bezeichnet.

Im Juli 2010

Hochstubaihütte

Diesen Kurs zu besuchen empfahl mir Bernhard, der einer unserer erfahrenen Teilnehmer bei der letztjährigen Ötztal-Tour war. Dort hätte ich ohne diese Ausbildung gar nicht teilnehmen dürfen. Warum dies vorausgesetzt wird, war mir allerdings erst nach Bewältigung besagten Grundkurses klar.

 

Die Dresdner Gruppe füllte ein Auto und bestand aus meinem Mann, meinem Sohn und dessen Freund.  Der Rest unserer 10 Mann starken Truppe entstammte der Sektion Böblingen.

Der erste Tag sollte uns auf der Kleble-Alm zusammenführen. Die Anreise erfolgte individuell, die 600 Hm Aufstieg bewältigte jedes Grüppchen für sich. Wir waren gegen 14 Uhr auf dem Parkplatz in Sölden, trafen dort zufällig auf Kai, dessen verräterisches Doppel-B- Nummernschild ihn als mutmaßlichen Teilnehmer des Kurses entlarvte. So haben wir uns bei 35°C gemeinsam an den Aufstieg gemacht und schon ein bisschen kennengelernt.

Auf der Alm trafen wir auf die Geschwister Benni und Steffi, die begleitet von Helmut schon seit Mittag auf den Rest warteten. Zuletzt trafen noch Judith und Jan ein.

Den Abend haben wir am wärmenden Kamin gemeinsam verbracht. Die gemütlichen Zimmer der Alm fanden wir mangels Beleuchtung im Schein der Stirn-Lampe.

Das Frühstück war für 8:00 Uhr bestellt. Danach ging es langsam und mit ausgiebigen Pausen hinauf zur 3100m hoch gelegenen Hochstubai-Hütte. Der Weg führte durch karge Landschaft, vorbei an herrlichen zum Teil noch vereisten Seen über ausgedehnte Schneefelder, in denen man gelegentlich bis zur Hüfte verschwand hinauf zur Hütte. Um 14 Uhr sollten dort die Bergführer auf unsere Gruppe treffen. Florian, der Hüttenwirt empfing jeden Ankömmling mit einem Obstler. Von ihm und seiner Mutter Marianne wurden wir in den Folgetagen kulinarisch und auch sonst verwöhnt.

Pünktlich kamen unsere 2 Bergführer die Himmelsleiter (eine etwas ausgesetzte Felstreppe auf der anderen Seite des Berges) herauf.

Der Nachmittag verging im Gastraum mit einer kurzen Einweisung in die Inhalte des Kurses, der Sichtung unseres mitgebrachten Materiales und der Vergabe von Vortragsthemen zu bergspezifischen Problemen, auf die wir uns immer zu zweit mit den in der Hütte zur Verfügung stehenden Materialien vorbereiten sollten.

Montag früh begann die eigentliche Ausbildung mit dem Auf- und Absteigen, sowie Fallübungen am steilen Schneehang. Dabei wurde der Einsatz des Eispickels trainiert und ein Probe-Anruf bei der Bergwacht gestartet. Immer wieder forderten uns die Bergführer auch an den Folgetagen auf zu sagen, an welchem Punkt im Gebirge wir uns befanden, um im Fall der Fälle einer Rettungsstelle möglichst präzise Auskunft über unseren Aufenthaltsort geben zu können.

Als nach wie vor potentiellem Mit- und Nachläufer fiel mir dies bis zum Schluss recht schwer. Am Nachmittag stiegen wir erstmals in unsere Klettergurte, seilten uns in 2 Seilschaften an (kurze Seillänge, da Fels) und bestiegen das gegenüberliegende Hausberg“chen“, den Nebelkogel. Danach ging es bei dezentem Regen und stetigem Wechsel des Seilschafts-Führers über die Himmelsleiter etwas ausgesetzt in Richtung des Warrenkarrenseitenspitz. Diesen eroberten wir aber erst am letzten Tag. Dieses Mal bogen wir zum Gletscher ab (größerer Seilabstand) und zurück ging es zur Hütte und zum leckeren Marianne-Abendbrot.

Für den nächsten Tag waren Knotenkunde und Spaltenbergung geplant. Die Absprachen für den Folgetag erfolgten jeweils am Abend. Die Abende selbst verbrachten wir gemütlich mit reden, spielen und Knoten üben.

Der Dienstag startete mit Nieselregen, Kälte und Knoten-Üben vor der Hütte. Als die Hände erstarrten und der Regen auf unseren Sachen gefror (im Tal herrschten noch immer 35 °C!) durften wir die Übungen im Gastraum fortsetzen. Spaltenbergung unter Zuhilfenahme von Stuhl- und Tischbein  kann auch Spaß machen.

Knoten üben

Der Nachmittag empfing uns mit deutlich besserem Wetter und unsere Trockenübungen waren so effektiv, dass wir die Spaltenbergung am Windkolch super umsetzen konnten. Der Sprung in die Grube war gar nicht so schlimm. Mit jedem Mal wurden wir mutiger.  Endlich erfuhr ich, wie man einen Eispickel zum  „ toten Mann“ verbaut, um eine Sicherung herzustellen. Darüber war im Vorjahr ständig gesprochen worden, ohne dass ich die Spur einer Ahnung hatte, worum es ging.

 

Spaltenbergung

In der Hütte folgte der Vortrag zum Thema Tourenvorbereitung und eine fachgerechte Einweisung in den Umgang mit Kompass, die Bedeutung von Marschzahlen und den Umgang mit der Karte, sowie das Abschätzen von Streckenlängen und den Zeitraum, den man benötigt, um diese zu bewältigen.

Aufstieg im steilen SchneehangMittwoch wollten wir eine Tour zum Hinteren Daunenkopf unternehmen, ein gemütlicher Ganztagesausflug mit Lerneinlagen. Die Tourenplanung musste jeder am Vorabend in der Hütte vornehmen. Wieder mit regelmäßigem Seilschaftswechsel ging es über Fels und Gletscher zum Gipfel. Kai lernte sogar den Anflug des Versinkens in einer Gletscherspalte kennen. Er wurde aber problemlos herausgezogen. An einem steilen Schneehang wurden Sicherungen gebaut, der Aufstieg mittels Sicherung per Prusik-Schlinge geübt und im Abstieg die verschiedensten Abseiltechniken vorgestellt und umgesetzt.

Wichtigster Lerninhalt an diesem Tag war aber zumindest für mich: „LANGSAM IN GLEICHMÄßIGEM TEMPO GEHEN, NIE AUßER PUSTE GERATEN UND IMMER DEN SCHWÄCHSTEN IM BLICK HABEN!

Der Donnerstag sollte uns mit Steigeisen und ein bisschen Kletterei in Seilschaft fernab eines ausgewiesenen Weges vertraut machen. Ziel war dieses Mal der „Windacher Daunenkogel“. Das Wetter war herrlich. Kurz vor dem Gipfel mussten wir an einem Grat aus Sicherheitsgründen stoppen.  Die Pause in der Sonne auf dem Vorgipfel war traumhaft schön mit Blick auf die Ötztaler und Stubaier Alpengipfel. Die Männer fachsimpelten über die Gipfel und wir erprobten uns erneut mit dem Kompass.

Im Abstieg ging es um das sicherere Laufen auf losen Gesteinsplatten und an einem Eisfeld an einem kleinen See folgten die Übungen zum Umgang mit Steigeisen und der Einsatz von Eisschrauben zur Sicherung. Wieder ging es um Abseiltechniken. Die herrliche Sonne verlockte erneut zu einer ausgedehnten Pause. Ein bisschen Urlaub und Erholung sollte es ja auch sein!!

 

Ausblicke

Der Abend an der Hütte bescherte dann auch den ersten herrlichen Sonnenuntergang dieser Tage, der mindesten 100 Bilder auf unseren Foto-Apparaten beanspruchte.

Freitag war der letzte Ausbildungstag. Beim Aufstieg zum Warrenkarrenseitenspitz galt es dann zum letzten Mal das Erlernte umzusetzen. In langer Seilschaft quer über den Gletscher, ohne Seil über die ersten Felsblöcke, eine kleine Kletterei, seilgesichert mit einem begabten Vorsteiger, der oben die Sicherung für den Rest legte. Anschließend wieder in kurzer Seilschaft über etwas ausgesetztere Passagen zum Gipfel. Dort eine ausgedehnte Pause, die jeder zum Schauen, Träumen und Verweilen nutzen konnte. Erneute Fachsimpeleien über die Namen der Gipfel, die man da sehen konnte und anschließend der Abstieg über Geröll, Gletscher und die Rückkehr zur Hütte über die Himmelsleiter.

Den Nachmittag nutzten wir für letzte Spaltenbergungsversuche vor dem Haus, bevor sich am Abend unsere Bergführer von uns verabschiedeten, gefolgt von Judith und Jan, die noch einen kinderfreien Tag in Zweisamkeit verbringen wollten. Auch Benni, dessen Schwester einen Tag zuvor abgereist war,  nutzte die Mitfahrmöglichkeit bei den Beiden.
Wir Dresdner und Kai genossen den letzten gemütlichen Abend und stiegen bestens geschult am Sonnabend über die Kleble-Alm ab. Von den Schneefeldern des Aufstieges war fast nichts mehr übrig und die Seen waren eisfrei. Enorm was eine warme Woche bewirkt.

Gruppenbild vor der Hochstubaihütte

Es gab in diesen 5 intensiven Lehrgangstagen nicht einen Tag, an dem Langeweile aufkam. Besonders schön fand ich es, dass die meisten Übungen in Touren eingebettet waren. Am ersten Tag hatten wir in der Einführungsrunde gehört, dass 90 % der Gefahren, die am Berg lauern vermeidbar sind, wenn man über das im Kurs vermittelte Wissen verfügt.  
Rückblickend verstehe ich den DAV, der dies zur Bedingung für die Teilnahme an Hochtouren macht.

Fazit: Unbedingt empfehlenswert!!

Heike Kirsch