Endlich geht es los. Am 30.04. machten wir uns zu siebt von der „Gruppe aus Weil“ in zwei Autos zum Klettern nach Orpierre, einen kleinen Dörfchen in der Haut Provence, auf. Zufällig haben wir uns schon bei der Anfahrt in der Schweiz auf der Autobahn getroffen und sind dann im “Konvoi“ nach Orpierre weiter gefahren.
Der Vermieter war noch nicht da, aber dafür hatte die Bar offen. Nur sind wir auf dem Weg dorthin im Kletterladen kurz durch gebouldert. Danach warteten wir in sehr entspannter Atmosphäre in der Bar. Es wirkt schon. Ruhe und Gelassenheit. Kurz darauf haben wir unser Quartier, eine große Ferienwohnung in einem Haus aus dem 15. Jhdt. im mittelalterlichen, autofreien, pittoresken Ortskern bezogen. Schnell die Zimmer verteilt und dann sind wir zu einem kurzen Spaziergang um das Dorf und zu den Kalkfelsen aufgebrochen. Bei der Gelegenheit haben wir neben den unübersehbaren Kletterfelsen auch gleich die zweite Kneipe im Ort entdeckt.
Am Sonntag haben wir uns nach dem Frühstück auf dem gut zehnminütigen Weg zum Sektor Belleric gemacht. Wir wollten leichtere Ein- und Zweiseillängenrouten unter die Sohlen nehmen. Sie sind ideales Terrain, um nach der langen, winterlichen Hallenzeit wieder ersten Kontakt zum richtigen Fels aufzubauen und Anfängern, wie Birgit, die Gelegenheit zu geben, Sicherheit im Klettern am Naturfels zu gewinnen und die Handhabung der mannigfaltigen Ausrüstung zu vermitteln. Dazu tragen neben den vielfältigen Routen im 4. bis 7 Schwierigkeitsgrad auch die unterschiedlichen klettertechnischen Anforderungen wie Platten, kleine Überhänge oder Risse und Verschneidungen sowie die gute Absicherung mit Bohrhaken bei. So fand jeder Routen, die er oder sie angstfrei und gefahrlos Vorsteigen konnte.
Tags darauf haben wir uns denn im Sektor Cascade getummelt. Unmittelbar am Wandfuß fließt ein kleiner Bach, der von einem Wasserfall unmittelbar neben dem Fels gespeist wird. Daher auch der Name des Sektors. Auch in diesem Sektor ist die Absicherung mit Bohrhaken sehr gut. So konnte Manfred in diesem Jahr seine erste 6+ a.f. klettern und Cathy gelang eine 6 on sight. Richard machte seinem Spitznamen Buchhalter alle Ehre und kletterte sämtliche Routen im rechten Teil. Die Idee, im Gumpen des kleinen Wasserfalls zu baden, haben wir der Wassertemperatur wegen aber doch verworfen. Auf dem Rückweg konnte wir leider nicht umhin, sowohl dem Klettershop als auch einer der beiden Kneipen einen Besuch abzustatten. Ein frisches Bier nach einem langen und gelungenen Klettertag ist auch nicht zu verachten.
Am Dienstag haben sich Richard, Manfred und Peter aufgemacht, eine der langen Routen am Quiquillion zu klettern. Ihre Wahl fiel auf die direkte Südwand, eine 7-Seillängentour im unteren 6. Grad. Cathleen, Birgit und Cathy brachen zu einer Wanderung zum „versteckten Dörfchen“ auf und Pagus ging ein anderes Klettergebiet rekognostizieren. Als die Mehrseillängenkletterer nach Felsbruch, tollen 5b/5c Seillängen, Gipfelhagel und einer psychisch anstrengenden Abseilfahrt über 65 Meter gegen 20 Uhr endlich zurück waren, stand das Abendessen schon auf dem Tisch.
Der Mittwoch sah uns erneut im Sektor Cascade. Die inzwischen obligatorischen Zwischenstopps auf dem Rückweg in die Bar und den Kletterladen, durften natürlich nicht fehlen. Am Donnerstag entschlossen wir uns das kleine Tal zu verlassen und sind zum Sektor Ascles gewandert. Dort wollen wir in drei Seilschaften eine 5-Seillängetour mit einer ausgesetzten Quergangsseillänge klettern. Wie das aber so ist, haben wir uns beim schweißtreibenden Zustieg unter strahlender Sonne zuerst ein wenig versteigen, so dass wir in anderthalb Stunden statt am Wandfuß gleich bis zum Ausstieg gelangt sind. Gut, das hat aber dann den Vorteil, dass der Abstieg ins Tal hinterher klar ist. Als nach lohnender Bergfahrt und Gipfelrast alle wieder auf dem Weg zurück ins Dorf waren, wurde die Frage in die Bar oder nicht, erst gar nicht aufgeworfen. Quasi völlig automatisch, wie ferngesteuert, wurden unsere Schritte dorthin gelenkt. Hatten wir die zweifellos leistungssteigernde Wirkung ausgiebiger Besuche in südfranzösischen Bars nun schon am eigenen Leib erfahren oder trieb uns einfach Durst dorthin? Eine schlüssige Antwort fanden wir trotz eindeutig ernsthafter und fachkundiger Diskussion darauf nicht. Abends haben wir dann auf der Terrasse bei untergehender Sonne ausgiebig gegrillt und uns von Richy noch ein paar Seiltechniken zeigen lassen.
Am letzten Tag hatten wir aus dem schweißtreibenden Aufstieg zum Sektor Ascles gelernt und sind mit den Autos die 10 Minuten bis zum Parkplatz gefahren. Dies verkürzt den Zustieg zum Sektor Quatre Heures auf gut 15 Minuten. Jeder kletterte noch einmal soviel er wollte. Cathy und Pagus kletterten eine Zweiseillängentour und spulten danach Route um Route ab. Birgit und Manfred kletterten zusammen Birgits erste Mehrseillängeroute. Peter versuchte sein Glück - am Fixseil gesichert - als Fotograph. Richard kämpfte sich einen überhängenden und abdrängenden Riss im glatten 7. Grad hoch und Manfred versuchte sich noch an einer on sight Begehung einer anderen Route im 7. Grad. Das hängende Seil in der Tour nutzten fast alle und versuchten ihr Glück nun von oben gesichert. Meme pas drolé.[1] Cathleen genoss das wunderschöne Wetter nach Stundenlanger Übung von Vorstieg Techniken und Standplatz bau. Kurz vor Ende des Klettertages legte Peter noch den einzigen richtigen Vorstiegssturz der gesamten Woche hin. Aber es ist nichts passiert. So konnten wir alle ganz entspannt beim leckeren Abschluss - Viergängemenü zusammensitzen und die Woche Revue passieren lassen.
Alle sind auf ihre Kosten gekommen und wir haben viel gelacht: Birgit hat großen Spaß am Felsklettern gefunden, der Buchhalter konnte doch noch alle Routen im rechten Teil des Sektors Cascade abhaken, Manfred seine erste 7 a.f. draußen klettern, Cathleen und Peter haben schöne Routen an ihrer Leistungsgrenze geklettert und Cathy nach langer Zeit mal wieder eine glatte 6 und eine Mehrseillängeroute geklettert. Bis auf den einmaligen Großeinkauf haben wir die Autos fast die ganze Zeit auf dem Parkplatz im Ort stehen lassen. Wie immer war der (Kletter-)urlaub viel zu schnell vorbei. Aber was bleibt an Bleibendem? Neben den Erinnerungen an schöne Klettertage, ist unser Vorrat an T-Shirts um mindestens eines der drolligen T-Shirts aus dem Kletterladen reicher. Sicher hatte auch der Betreiber des Kletterladens fast soviel Spaß wie wir und uns in guter Erinnerung. Bei dem Umsatz für den wir dort gesorgt haben. Hoch lebe die deutsch-französische Freundschaft.
Pagus Cathy Richy Cathleen Manfred Birgit Peter
[1] Gar nicht lustig.