Seit vielen Jahren veranstaltet die DAV Sektion Böblingen in der letzten Aprilwoche ihre einwöchige Kletterausfahrt nach Orpierre.
Orpierre befindet sich in im Süden des französischen Departements Hautes Alpes in der Nähe von Sisteron. Die Anreise von Böblingen dauert ca. 9 Stunden inklusive Pausen.
Orpierre ist ein kleines verschlafenes Dorf ohne nennenswerten Straßenverkehr, Fluglärm oder Nachtleben. Dafür aber umso mehr bester, fester Kalk an leicht erreichbaren Felsen rund um das Dorf. Geboten wird ein bestens abgesichertes Spektrum von einfachen bis anspruchsvollen Sportkletterrouten, ausdauernde oder gemütlichen Mehrseillängen, aber auch Alternativwanderungen für die Ruhetage.
Gewohnt wird in einem historischen Haus im mittelalterlichen Ortskern. Der Eigentümer Pierre Yves hat vor über 30 Jahren begonnen das damals beinahe ausgestorbene Dorf klettertechnisch zu kultivieren. Mittlerweile betreibt er mehrere gut ausgestattete Unterkünfte, auf Wunsch auch mit Halb- oder Vollpension mit biologischen Zutaten aus lokaler Produktion. Trotzdem schafft er es immer noch mit seinen Freunden neue Routen zu erschließen.
Um alle Routen zu klettern reicht eine Woche bei weitem nicht aus. Selbst für den, der es drauf hat ist eine Saison sehr ambitioniert. Was uns jedoch nicht stören sollte, möglichst jeden Tag viel und ausdauernd das Angebot zu nutzen.
Die Anreise war Samstag gegen späten Nachmittag. Da die Fahrgemeinschaften nicht zeitgleich ankamen konnten die ersten bereits ihren Pastis 51 in der Bar genießen. Die Zimmeraufteilung, der Quartierbezug sind für den ersten Tag die einzigen noch zu erledigenden Aufgaben.
Selbst um das Essen braucht sich heute keiner zu kümmern, da Pierre Yves für uns ein typisch französisches Abendessen kocht. Die Verständigung funktioniert halb auf
Englisch, teils auf Französisch. Für die deutschen Gäste überlegt Pierre Yves sogar Deutsch zu lernen.
Der erste Klettertag ging sich im Gebiet Château recht gemütlich zum Einklettern an. Einfache Routen von 4a bis 5c, alles angenehm nebeneinander mit einem herrlichen
Blick ins Dorf. Für Abends war alles zum Grillen vorbereitet. Original Thüringer Rostbratwürste auf stilechtem Holzkohlegrill zubereitet. Dazu gab es heimisches
Weizenbier, Bautzener Senf, leckere Salatbeilagen und örtliches Baguettes. So könnte es die ganze Woche weitergehen.
Die ganze Woche gab es bis auf einen kurzen Nachmittagsschauer und einen komplett verregneten Freitag an keinem Tag eine wetterbedingte Kletterausrede. Die Frühjahrssonne schien meist stärker als gewünscht, der kalte Nordwind war jedoch selten eine angenehme Abkühlung. Gerade das Frühjahr ist zum Klettern in Orpierre sehr gut geeignet. Die Tage sind bereits recht lang, warm und meist trocken.
Für geplante Pausentage gibt es zahlreiche Ausflugsalternativen. Dieses Jahr fuhr eine Teilgruppe nach Grasse, in das Mekka der Parfümherstellung. Andere unternahmen eine Fledermausbeobachtung in einer der nah gelegenen Höhlen. Nach dem üppigen Abendessen war dies bei Dämmerung und mit Stirnlampen durchaus abenteuerlich.
Ein besonderes Highlight ist sicherlich die Begehung des Quiquillon. Diese Felsspitze ragt zentral über Orpierre und ist die markanteste Landmarke im Gebiet. Der Aufstieg kann als mehrstündige Wanderung, oder nicht unbedingt schnellere Kletterpartie angegangen werden. Da speziell die einfachste Mehrseillängen-Route sehr beliebt ist, und oft begangen wird, bedarf es für dieses Vorhaben einer gewissen Ernsthaftigkeit und Planung.
Auch dieses Jahr konnten von den vielen Willigen in der Gruppe dieses Ziel nur von zwei Teilnehmern umgesetzt werden. Für die anderen gab es andere persönliche Erfolge und neue Leistungsvorsätze für die nächste Saison.
Das ganze Klettergebiet bietet in allen Leistungsklassen viel zu viele Möglichkeiten, als sich auf einige wenige festzubeißen. Einige Gebiete sind angenehm kurzfristig fußläufig erreichbar, andere haben durchaus einen anstrengend, längeren Zustieg, oder eignen sich für einen Tagesausflug per Auto. Abenteuerrouten mit alpinen Absicherungen findet man kaum. Die südfranzösischen Absicherungsstandards kommen Hallenabsicherungen schon sehr nahe.
Über das zentrale Gebiet und alternative Randgebiete gibt es einen 2013 erschienen, mehrsprachigen Kletterführer. Diesen und noch vieles mehr kann man im örtlichen Kletterladen von Pierre Yves Freund kaufen. Für die Verständigung reicht Englisch aus. Französisch ist natürlich für Zusatzinfos mehr als hilfreich. Eine deutschsprachige Betreuung gibt es aktuell noch nicht, ist aber in Planung.
Daher bietet unsere Gruppe seit Jahren die Möglichkeit dieses wunderbare Gebiet auch ohne Fremdsprachenkenntnisse lieben zu lernen. Und wie jedes Jahr wird allen erst beim Abendessen am Freitag bei Pierre Yves bewusst, dass es wieder heißt Abschied zu nehmen.
Die meisten fahren samstagmorgens heim, manche bleiben noch eine Weile in der Gegend, der ein oder andere hat sich in das Gebiet verliebt und bleibt gedanklich in Orpierre.
Ein besonders großes Lob gebührt nicht nur den Organisatoren, sondern auch allen Teilnehmern dieser Kurzzeit Wohngemeinschaft. Alle hatten Spaß, niemand Frust
oder Zwist und alle freuen sich auf das nächste Mal.